Glasklare Perspektiven

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Aus: der gemeinderat, Das unabhängige Magazin für die kommunale Praxis, spezial „Breitbandausbau“, Juli 2016 – www.treffpunkt-kommune.de

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Glasklare Perspektiven

Die drei oberfränkischen Gemeinden Altendorf, Buttenheim und Pettstadt schlagen beim Breitbandausbau einen eigenen Weg ein. Weil ihnen langfristig Datenraten von 50 Megabit nicht genug sind, bauen sie auf eigene Faust ein flächendeckendes FTTH-Glasfasernetz auf.

Insgesamt mehr als acht Millionen Euro wollen die drei Gemeinden Altendorf, Buttenheim und Pettstadt südlich von Bamberg (Bayern) bis zum Herbst 2017 im Boden vergraben – ein stolzer Betrag für insgesamt 3250 Haushalte. An der historischen Investition geht aber kein Weg vorbei, sind sich die kommunal Verantwortlichen einig: Zwar bringt das großflächige Glasfasernetz, das bis 2018 in Bayern mithilfe eines 1,5 Milliarden Euro umfassenden Förderprogramms entstehen soll, vielen Orten den längst überfälligen Anschluss an die Datenautobahn. Für die Surfgeschwindigkeiten der Internetanschlüsse in den Haushalten ist das aber nur zum Teil entscheidend. Mindestens ebenso ausschlaggebend ist, wie das Netz innerhalb der Kommune auf der „letzten Meile“ weitergeht – zwischen dem Kabelverzweiger und dem einzelnen Haushalt. Kupferkabel führen zu erheblichen Geschwindigkeitsverlusten. Je länger sie sind, desto geringer
die Datenrate. Daran können auch Vectoring oder „Super-Vectoring“ nichts ändern, die nur im Nahbereich wirklich hohe Geschwindigkeiten bringen. Gerade im weitläufigen ländlichen Raum stehen die Kabelverzweiger aber häufig mehrere hundert Meter vom Haushalt entfernt. Glasfasernetze, die bis ins Haus reichen, sind hier alternativlos. Dadurch, dass sie ihren eigenen Weg beschreiten, verzichten die drei Gemeinden kurzfristig auf Fördermittel des Freistaats Bayern – rechnen sich aber dank des ausgereiften Ausbau- und Marktkonzepts langfristig attraktive Pachteinnahmen für die Gemeindekasse aus. Mittlerweile interessieren sich bereits andere Gemeinden für das Geschäftsmodell.

PACHT REFINANZIERT KAPITALDIENST
Doch FTTH-Netze sind kostenintensiv. Wie lösen Kommunen dieses Problem? Die Bürgermeister der drei Gemeinden – Karl-Heinz Wagner (Altendorf), Michael Karmann (Buttenheim) und Jochen Hack (Pettstadt) – haben sich verbündet und gemeinsam mit einem Ingenieurbüro den Netzausbau geplant und einen Business plan erstellt, der bereits auch die Folgekosten berücksichtigt. Finanziert wurden die Planungskosten mit Mitteln aus dem Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau. Im Ergebnisstand ein Investitionsbedarf von acht Millionen Euro – und das Ziel, den Kapitaldienst hierfür komplett aus der Verpachtung des Glasfasernetzes an einen Netzbetreiber zu refinanzieren. Dieser Betreiber sollte auch Erfahrungen aus der Vermarktung des Netzes mitbringen. Denn nur wenn ausreichend Kunden das Glasfasernetz nutzen, geht die Rechnung auf. Laut Businessplan mussten vor der finalen Investitionsentscheidung rund 60 Prozent der Haushalte und Unternehmen einen Multimediavertrag für das neue, kommunale „BürgerNet“ unterschreiben. Öffentliche Steuergelder werden für den Ausbau nicht in Anspruch genommen. Auch werden den zu versorgenden Grundstückseigentümern keine Investitionszuschüsse für den Hausanschluss in Rechnung gestellt. Auf Basis eines
soliden Businessplans werden die Bauarbeiten über einen Kredit finanziert, der keine Mittel „auf der hohen Kante“ voraussetzt. Entsprechend ist es beim kommunalen Glasfaserausbau nachrangig, wie „reich“ die Gemeinde ist. Entscheidend ist ein schlüssiges und tragfähiges Konzept unter Beteiligung der Bürger einer Gemeinde. Als Partner für den Netzbetrieb hat sich die Stadtnetz Bamberg in einer europaweiten Ausschreibung gegen namhafte, teils internationale Bieter durchgesetzt. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadtwerke Bamberg betreibt eigene Glasfasernetze und erreicht heute schon in der Stadt und dem Landkreis Bamberg mehr  als 30 000 Haushalte. Die regionale Nähe und die starke Marke eines lokalen Partners waren eine zusätzliche Stärke, mit der die Kundenakquise im Vorfeld der finalen Investitionsentscheidung vorangetrieben werden konnte. Während der rund zweimonatigen Vermarktung der Multimediadienstleistungen haben die oberfränkischen Partner im wesentlichen auf drei Kommunikations- und Vertriebskanäle gesetzt: „„ Persönliche Ansprache der Bürger über kompetente und lokal verankerte Multiplikatoren (Vereine und Initiativen) „„ Individuelle technische Beratung im Rahmen von Bürgerabenden und Sprechstunden in eigens eingerichteten Bürgerbüros Tagesaktuelle Informationen über die kommunalen Amtsblätter, die Tagespresse und die eigens eingerichtete Internetseite www.bürgernet.de (inkl. Online-Vertragsabschlussportal) Hierbei war festzustellen, dass das persönliche Werben der Multiplikatoren wesentlich war, um Akzeptanz für das Infrastrukturprojekt zu schaffen. Die Bürgerbüros waren unverzichtbare Anlaufstelle zur Klärung aller individuellen Fragen. Insbesondere in den letzten Tagen vor Ende der Bewerbungsfrist haben sich hier Warteschlangen interessierter Bürger gebildet – sowohl was die eigentlichen Telekommunikationsdienste betrifft, als auch zum technischen Anschluss eines Gebäudes oder eines derzeit noch unbebauten Grundstücks an das Glasfasernetz.

NOTWENDIGE KUNDENZAHL ERREICHT
Im Ergebnis haben zum Ende der neunwöchigen Vermarktungsphase alle drei Gemeinden die notwendige Zahl an Kunden erreicht, sodass die Investitionen und auch die Instandhaltung des Netzes über die Pachtzahlungen refinanziert werden. Bereits fünf Wochen nach der Entscheidung haben die Gemeinden im Mai 2016 mit dem Bau des Glasfasernetzes begonnen. Die ersten Kunden sollen im Herbst über das neue Glasfasernetz surfen, telefonieren und auch fernsehen können. Bis Herbst 2017 sollen alle Gebäude, deren Eigentümer sich mit einer Anmeldung beim „BürgerNet“ für einen Hausanschluss entschieden haben, kostenlos an das Glasfasernetz angeschlossen sein.

Michael Karmann / Hans Jürgen Bengel